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Start der Sojus-U mit dem ersten Progress-M1 Raumschiff

Einer der russischen Beiträge zum Aufbau und Unterhalt der ISS war die Entwicklung eines modifizierten Transportraumschiffs mit größerem Tankvolumen. Ausgehend vom Progress-​M Modell wurde die Progress-​M1  Variante (Erzeugnis 11F615A55M1) entwickelt, bei der die Form und Anordnung der Tanks so verändert wurde, daß bis zu 1.700 kg Treibstoff (zuzüglich einer Reserve von 185 bis 250 kg aus dem Progress Treibstoffsystem) an die ISS übergeben werden konnten, während in der hermetischen Frachtsektion bis zu 1.800 kg Stückgut und Wasserbehälter Platz fanden. Das Frachtvolumen betrug dabei rund 6,6 m³. In den zwölf zwischen den Treibstofftanks angeordneten Druckgastanks konnten zudem bis zu 40 kg Sauerstoff bzw. Atemluftgemisch transportiert werden. Die Steigerung des Treibstoffvolumens bedingte allerdings den Wegfall von bisher fest eingebauten Wassertanks. Doch sah man darin kein Problem, da das Space Shuttle mit seinen Brennstoffzellen Wasser im Überfluß prodizierte und bei seinen Versorgungsflügen die Bestände der ISS bequem auffüllen konnte. Verbessert worden waren auch das digitale Flugführungssystem und das Rendezvous– und Dockingsystem (nun Kurs-​MM). Die ersten Progress-​M1  flogen dann aber nicht zur ISS, sondern zur russischen Mir. Die Gründe dafür lagen einerseits in den Verzögerungen beim Aufbau der ISS, andererseits aber auch im Treibstoffbedarf der Mir, deren Unterhalt für Rußland zuletzt kaum noch tragbar war. Progress-​M1 1  startete daher am 01.02.2000 um 06:47 UTC mit einer Sojus-​U 11A511U von Baikonur zur Mir. Wichtigste Aufgabe des Raumschiffs war es, vor allem Treibstoff in das Tanksystem der Mir einzuspeisen, aber auch mit seinem eigenen Antrieb die Bahn der zu jener Zeit unbemannten Station anzuheben. Zunächst stand aber erst einmal das Docking mit der Mir auf dem Programm. Das Manöver gelang am 03.02.2000 um 08:02 UTC im automatischen Regime am „Kvant“ Modul. Zwei Tage später begann eine Serie von Triebwerkszündungen zur Bahnanhebung des Orbitalkomplexes, die erst am 09.02.2000 abgeschlossen war. Damit war die Mir bereit für die Ankunft der nächsten Stammbesatzung. Einige Versorgungsgüter und Ersatzteile waren daher ebenso an Bord der Progress, wie Atemluftgemisch zum Ausgleich der kontinuierlichen Verluste.
Das Ende der Mir, das im Herbst 1999 unausweichlich schien, war mit dieser Mission nochmals aufgeschoben worden. Mit der MirCorp war ein privater Investor an die russische Raumfahrtbehörde herangetreten, der den Weiterbetrieb finanzieren wollte. Am 17.02.2000 unterzeichneten RKK Energija und die MirCorp ein Abkommen über die Vermietung der Raumstation. Diese überraschende Entwicklung sorgte bei US Politikern und NASA Management für eine ernste Verstimmung. Immer wieder war man den chronisch klammen russischen Raumfahrtunternehmen zur Seite geprungen und hatte zähneknirschend die gravierenden Verzögerung bei der Fertigstellung der russischen Beiträge zum Raumstationsprogramm hingenommen. Dabei war immer klar gewesen, daß das Kapitel Mir geschlossen werden sollte, sobald mit dem Aufbau der ISS begonnen wurde. Die russische Raumfahrtorganisation RKA hatte sich angesichts des schlechten Zustands der Mir mit dieser Lösung arrangiert. Doch als RKK Energija, formal Eigentümer der Mir, einen Plan zum Weiterbetrieb in Eigenregie präsentierte, war man auch nicht abgeneigt. Denn noch immer war die Mir das Aushängeschild der nationalen Raumfahrtaktivitäten. Die nächste bemannte Mission zur Mir wurde tatsächlich bereits von den beiden Unternehmen privat finanziert mit dem Ziel, den Umfang der Arbeiten zu bestimmen, der nötig war, die Mir als Ziel bemannter Touristenflüge herzurichten. Doch letztlich konnte die MirCorp die mindestens 200 Mio. $ für den Weiterbetrieb der Mir nicht aufbringen. Damit endete diese letzte Episode in der Geschichte der Mir. Progress-​M1 1  koppelte am 26.04.2000 um 16:33 UTC vom „Kvant“ Modul ab und machte dort Platz für seinen Nachfolger. Drei Stunden später wurde der Frachter auf eine steile Abstiegsbahn gesteuert und verglühte gegen 20:00 UTC planmäßig über dem Pazifik.