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Arabsat-4

Der erste russische Trägerraketenstart des Jahres fand am 28.02.2006 statt, als eine Phase I Upgrade Proton-​M 8K82KM mit Bris-​M 14S43  Bugsierstufe im Auftrag des amerikanisch-​russischen Dienstleisters ILS von Baikonur abhob. Sie transportierte den Kommunikationssatelliten Arabsat 4 A für den gleichnamigen arabischen Operator. Zwei Satelliten der vierten (Arabsat-)Generation waren bei EADS in Auftrag gegeben worden und für den Start binnen Jahresfrist vorgesehen. Auch wenn beide auf derselben Eurostar-​E2000+ Plattform aufbauten, war die Kommunikationsnutzlast doch unterschiedlich. Arabsat 4 A wurde mit 24 aktiven C-​Band Kanälen sowie 16 aktiven Ku-​Band Kanälen ausgerüstet, während für Arabsat 4 B 28 aktive Ku-​Band Kanäle (16 im BSS– und 12 im FSS-​Band) vorgesehen waren. Stationiert werden sollten die Satelliten über 26° Ost. Von dort sollte Arabsat 4 A bzw. Badr 1, wie der Satellit auch genannt wurde, u.a. direktempfangbare TV-​Programme, sowie interaktives und hochauflösendes Fernsehen (HDTV) ausstrahlen und der Internetversorgung im arabischen Raum dienen. Die ersten drei Stufen der Proton-​M brachten Arabsat 4 A mit der angekoppelten Bris-​M Stufe auf eine suborbitale Bahn. Im Anschluß waren vier Zündungen der Beschleunigungsstufe geplant, um den Satelliten auf eine Synchronbahn anzuheben. Dabei kam es offenbar zum vorzeitigen Brennschluß während der zweiten Brennphase der Stufe. Dadurch wurde die Notabtrennung der Nutzlast ausgelöst, die somit auf einem viel zu niedrigen Orbit strandete. Nach 14 Einsätzen war damit erstmals der Einsatz einer Bris-​M Oberstufe gescheitert.
Unmittelbar nach dem mißglückten Start wurden Untersuchungen aufgenommen, ob und wie der Satellit vielleicht doch noch gerettet werden konnte. Vorbild war Asiasat 3, der aus einem ähnlichen Orbit nach Umfliegung des Mondes noch auf eine Synchronbahn gebracht worden war. Doch der Treibstoffvorrat von Arabsat 4 A reichte hierfür nicht aus. Dennoch bemühten sich verschiedene Interessenten weiter um den Satelliten. So gab es Vorschläge, ihn über die Monddistanz für Kommunikationsexperimente zur Vorbereitung zukünftiger bemannter Mondmissionen zu nutzen. Oder seine Transmitter für die „Radar“ Sondierung der Mondoberfläche auf der Suche nach Eis umzufunktionieren. Wenigstens als Ziel für eine zukünftige Rettungsmission durch die Firma Orbital Recovery, deren Raumschlepper CX-​OLEV debütieren sollte, wollte man Arabsat 4 A erhalten. Doch weder der Eigner noch die Versicherungen hatten daran ein Interesse. Und so wurde Arabsat 4 A am 24.03.2006 gezielt zum Absturz gebracht.
Der Fehlstart von Arabsat 4 A führte zu einer handfesten Krise in der russischen Raumfahrt und speziell beim Lieferanten der Rakete, dem GKNPZ Chrunitschew. Denn er reihte sich ein in eine ganze Reihe von Fehlschlägen innerhalb weniger Monate. Ins Bild paßte auch die Uneinigkeit hinsichtlich der Ursache des Versagens des Bris-​M Triebwerks. Zunächst verlautete aus der Untersuchungskommission, daß ein in der Stufe verbautes Turbopumpenlager minderer Qualität den Belastungen nicht standgehalten hätte. Um diese Annahme zu verifizieren, hätte es aber Prüfstandläufen bedurft, wofür dem Hersteller KB Chimmasch jedoch das Geld fehlte. Als schließlich der Abschlußbericht veröffentlich wurde, dem sich auch International Launch Services anschloß, war dort nur noch die Rede davon, daß mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Fremdpartikel im Treibstoffsystem der Bris-​M für einen verringerten Durchfluß im Oxidatorsystem verantwortlich war. Diese berühmt-​berüchtigten Fremdkörper hatten in der sowjetisch-​russischen Raumfahrt eine lange traurige Tradition als Erklärung für Defekte aller Art. Als Konsequenz wurde stets eine bessere Qualitätskontrolle gefordert, was jedoch auch über Jahre hinweg keine meßbaren Verbesserungen brachte.